INTERVIEW MIT MENSCHENFOTOGRAFIN LENA REINER NATURLICHTLIEBHABERIN
Ich traf mich in Berlin am Hausvogteiplatz mit Menschenfotografin Lena Reiner, um über ihre Fotografie zu sprechen. Sie arbeitet am liebsten mit Naturlicht und kommt meist ohne Bildbearbeitung aus.
Ronny Wunderlich: Wie kam es zum Namen Menschenfotografin, unter dem man dich kennt?
Menschenfotografin Lena Reiner: Der Name stand eigentlich, bevor ich professionell anfing zu fotografieren. Ich hab angefangen und bin relativ schnell davon weggekommen Modegeschichten zu machen. Das gibt mir irgendwie nichts. Ich kann nicht mit totem Licht. Ich arbeite nicht im Studio, außer mit Naturlicht. Und dieses typische Modelgepose ist eben auch nichts, was mir Spaß macht und da kam dann raus, dass ich Menschen fotografieren will. Ich will Models nicht ausschließen, aber ich will auch sonst Niemanden ausschließen. Daher kam dieser Name. Es ärgert mich auch, dass es Peoplefotografie heißen muss. Menschen ist klarer, weil People Models ja wieder ausschließt. Menschenfotografin hat sich auch bewährt, weil die Leute sich das gut merken können. Auch wenn Jemand einmal was von mir gesehen hat, kann er das gut zuordnen. Und das ist natürlich schön und eine gute Werbung.
Wann hast du denn mit der Fotografie angefangen?
Ich fand als kleines Kind, so mit 8 oder 9 Jahren, Fotos spannend. Ich durfte damals unter Aufsicht die Spiegelreflexkamera von meinem Opa benutzen. Dabei sind so zwei oder drei Portraits entstanden, bei denen Niemand glauben wollte, dass diese ein Kind gemacht hat. Danach habe ich ganz lange gar nichts gemacht, auch nichts Künstlerisches. Ich habe damals auch gezeichnet. Bis zum Abi habe ich aber auch das nicht mehr gemacht. Erst während des Studiums habe ich wieder angefangen. Das kam, weil meine Mutter ihre digitale Spiegelreflexkamera nicht genutzt hat und mir diese gegeben hat. Ich hatte daher ein Übungsmaterial, weil ohne Kamera ja nichts geht. Kompaktkameras habe ich nie gemocht. Mit diesen digitalen Knipsen, die es am Anfang gab, konnte ich nicht. Ich hatte auch nie eine. Auch wenn ich von Freunden eine hatte, habe ich damit nie ein Bild hinbekommen.
Was meinst du mit „kein Bild hinbekommen“? Diese kleinen Knipsen haben doch alles alleine gemacht.
Ich hatte einfach keinen Bezug dazu. Ich brauche zum Beispiel einen Sucher. Ich will wirklich das Bild sehen und nicht irgendein Abbild, um ein Bild zu machen und auf dem Display siehst du ja eigentlich schon ein Abbild. Ich kannte schon die Analogfotografie und konnte auch selber alle Einstellungen machen, um ein gutes Bild zu bekommen.
Du meintest, die erste Kamera hast du von deiner Mutter geborgt bekommen. Ist sie auch Fotografin? Liegt das bei dir in der Familie?
Nein gar nicht. Meine Mutter machte das nur als Hobby. Sie fotografiert auch keine Menschen. Ich habe aber von ihr die Geduld. Sie ist manchmal 5 Mal an eine Stelle gegangen, bis ihr das Licht gepasst hat. Das ist eine Sache, die ich behalten habe. Ich fand die Einstellung gut, zu warten bis das Licht passt und nicht andersherum. Sie hätte ja auch eine Lampe mitnehmen können. Meine Mutter ist Psychotherapeutin, das hat sicher auch etwas damit zu tun, wie ich mit Leuten umgehe. Weil ich dadurch ein psychologisches Grundwissen habe.
Mit was für einer Kamera fotografierst du?
Ich fotografiere mit einer Nikon, weil mir die Farben bei dieser Kamera am besten gefallen.
In welchem Format fotografierst du?
Grundsätzlich im jpg Format. Bei RAW kann man auch aus schlechten Fotos noch viel herausholen. Das verleitet dazu, sich nicht so viel Mühe zu geben. Ich muss mich mehr auf die richtigen Einstellungen konzentrieren. Nach dem Shooting schicke ich die Fotos zur Voransicht an den Kunden und werde oft gefragt, ob die Bilder schon alle bearbeitet sind, was ich natürlich nicht mache. Aber das ist ja auch ein Kompliment. Ich finde es schön, wenn die Fotos direkt in der Kamera entstehen und nicht erst bearbeitet werden müssen.
Wenn man deine Fotos anschaut, fällt einem Lindbergh ein. Ist er ein Vorbild für dich?
Ein Freund hat mir das auch mal gesagt. Er schaute meine Bilder an und meinte, das ich wohl ein Lindbergh Fan bin. Mir war das gar nicht bewusst. Wenn ich mir Bilder von anderen Fotografen anschaute, dann dachte ich nur „cooles Bild“, aber wusste nicht von wem die sind. Aber 80 % von dem was mir gefiel, war von Lindbergh und dann hab ich angefangen mich mit ihm zu beschäftigen. Ich finde seine Einstellung gut. Seit er nicht mehr so viele Fashionsachen macht sagt er, dass es ihm wichtig ist, Bilder nicht komplett umzubearbeiten. Weil man als Fotograf eine Verantwortung hat. Wenn man den Models einen anderen Körper hin retuschierst, sagst du ihnen auch ganz klar, dass du sie häßlich findest. Man trägt als Fotograf zum Schönheitbild bei und das ist etwas wichtiges. Von den großen Fotografen gibt es nicht viele die sich trauen Bilder nicht zu bearbeiten. Ich habe mal von einem gelesen, Namen weiß ich leider nicht, der hat einen H&M Auftrag abgelehnt, weil die meinten, dass er seine Fotos retuschieren soll. Er meinte er retuschiert die nicht, er kann fotografieren und wenn das nicht reicht und die Einheitsmodels wollen, dann macht er es nicht.
Ich finde es gut, dass Lindbergh sich da quer stellt und auch nicht mitmacht. Klar, er kann es sich erlauben, aber er könnte es auch lassen und alle großen Kampagnen schießen. Ich habe bei seiner Ausstellung bei C/O Berlin ein Making of Video gesehen, wo er mit einem Model durch den Wald läuft und immer anhält, wenn ihm das Licht gefällt. Ich finde es genial, dass er so spontane Shootings macht und einfach losläuft.
Wie läuft das bei dir ab? Planst du Shootings vorher?
Ganz wenig. Ich plane nur eine Richtung, in die es gehen soll. Wenn man anfängt zu fotografieren, wollen ja alle noch viele Informationen, wie „Was machen wir?“ und so. Aber das habe ich auch ganz schnell gelassen. Ich hab den Leuten dann gesagt, wenn ich dich nicht vor mir hab, kann ich auch nicht sagen, was passt. Ich beobachte eigentlich die Leute, was die machen und ich stell die nicht hin und trapiere sie. Ich schaue sie an und überlege was könnte passen. Da arbeite ich dann schon was raus, wenn ich merke das ist eine gute Richtung. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass manche Models ihre Bilder noch umbearbeiten und sich dadurch die Einzigartigkeit nehmen. Wenn sie natürlich aussehen, sind sie viel spannender. Ich hatte welche, die sich Muttermale wegretuschiert haben oder den Hautton dunkler gedreht haben oder man sieht die Sommersprossen nicht. Bei manchen schaut man sich die Setcard an, da steht sie hat Sommersprossen und man sieht das auf keinem Bild. Das finde ich tragisch, weil das auch was schönes ist. Das hat ja nicht jeder. Ich finde es allgemein schade, wenn man die Models so perfektioniert. Weil dadurch nimmt man ihnen auch etwas. Wenn man ein typisches Modelbild daraus macht, dann geht es eigentlich in die falsche Richtung. Man macht dadurch die Leute langweiliger als sie sind.
Versuchst du mit deinen Bildern auch Emotionen festzuhalten?
Ich versuch die Leute festzuhalten. Wenn die natürlich Lachen oder nachdenklich gucken, gibt es nichts Schöneres. Aber ich sage denen nicht jetzt Lach mal oder so. Im Zentrum ist nicht die Emotion sondern der Mensch, aber der Mensch hat natürlich seinen Ausdruck oder eine Stimmung in der er ist. Ich finde es schön, wenn man dem Menschen ansieht, wie er sich gefühlt hat. Wenn die Menschen sich öffnen haben alle einen besonderen Ausdruck. Ich finde es schwierig mit Models. Profimodels gehen wieder, denn sie sind soweit Profi, dass wenn du denen sagst, das sie das gestellte sein lassen sollen, dann können sie das. Schwieriger sind die Semiprofis. Die haben sich das mühsam antrainiert und fallen in einen Shootingmodus. Bei denen bist du ewig am kämpfen bis du das Gefühl hast, dass sie natürlich sind.
Aber die Leute die zu dir kommen, kennen doch deine Arbeit?
Ja klar, aber dass man in einen Shooting Modus fällt, wird dir ja erst bewusst, wenn einer das nicht haben mag. Es gibt so Sachen, die sagt fast jeder Fotograf, wie Kinn runter und das machen sie eben und denken nicht mehr darüber nach. Bei Testshootings arbeite ich nicht gern mit welchen zusammen, die so ein bißchen Erfahrung haben, als regelmäßig was machen, aber nicht so richtig professionell, weil ich mit denen Probleme hab. Da hab ich auch keine Lust. Bei einem Test will ich auch machen können was ich will. Wenn ich da erst rumdiskutieren muss, dann passt das nicht.
Machst du nur Menschenfotos?
Ich mache auch andere Sachen. Von einem Café mache ich immer die Flyer. Da sind dann auch andere Bilder dabei. Aber an sich mache ich Menschen. Das sind echt Ausnahmen, für Leute die ich kenne.
Warum bist du gerade in Berlin, wegen der Fashionweek?
Bei der Fashionweek bin ich recht oft. Eigentlich wollte ich diesmal nicht hin, weil ich einen Shootingtermin hatte. Ich habe ein Wahlplakat von Steffi Lemke geschossen. Das war recht dringend. Sie ist die Bundesgeschäftsführerin von den Grünen.
Fashionweek habe ich aber dennoch 1,5 Tage mitgemacht. Das reicht aber auch. 4 Tage ist da zu viel.
Wofür machst du die Fotos bei der Fashionweek?
Ich bin Mitredakteurin bei einem Modeblog. Das heißt uberding.net. Da haben wir relativ viele Designpartner oder auch Modeshops. Da ist es besser wenn wir unsere eigenen Bilder haben. Darüber finanziert sich das auch. Wenn wir denen eigene Bilder anbieten, freut die ja auch. Wenn das Bilder sind, die man überall sieht, dann klickt man da ja nicht drauf. Ich weiß nicht wie oft ich Fashionweek noch mitmache. Es ist allgemein nicht mehr so spannend, weil auch nach und nach die großen Designer weggehen. Die coolen Fotografen gehen auch weg. Einer meinte, dass sich inzwischen nur noch die Papparazibilder gut verkaufen lassen. Modefotos will gar keiner mehr haben. Die verbreiten sich so schnell im Internet und es reicht wenn einer diese Fotos macht.
Wirkt sich das auf die Stimmung auf den Veranstaltungen aus?
Ja, die Modefotografen haben natürlich keine Lust Papparazi zu spielen. Wenn die aber müssen, sind sie auch nicht mehr so motiviert. Das ist schade. Auch bei den Models merkt man es. Auch die werden weniger bezahlt. Die Leute die es beruflich machen, fliegen immer mehr raus. Es kommt auch etwas das Verbitterte dabei heraus. Sie konnten davon früher gut leben, jetzt ist es schwieriger. Ich hab mich auch mit einer Filmerin unterhalten, die von Models berichtete die bei Castings, wenn es auf der Kippe stand, dass sie genommen werden, auch sagten sie machen es für weniger oder gratis, was natürlich das ganze System kaputt macht. Dann werden nicht die genommen, die am schönsten sind, sondern die, die es gratis machen. Es ist nicht gut für die Shows und nicht gut für die Models, denn die müssen ja auch von etwas leben.
Siehst du diese Entwicklung auch in anderen Bereichen?
Das ist mittlerweile in allen künstlerischen Berufen so. Auch von Visagisten höre ich sowas. Die bekommen zu hören, dass es doch eine tolle Referenz ist. Auch bei Fotografen ist das so. Bei Facebook sieht man in den Jobausschreibungen: tolles Label, kann aber nichts zahlen. Das blöde ist, dass sich trotzdem immer welche finden. Das Schlimme ist, dass es immer mehr werden, die es gratis machen und dadurch auch immer mehr dabei sind die es gut machen. Bei den Models die es kostenlos machen sind mittlerweile auch hübsche Mädels dabei. Der Kunde hat also nicht mal einen großen Nachteil, wenn er das so mitmacht. Wenn man Fotografie als Hobby macht, dann sollte man das auch als Hobby sehen und bestimmte Aufträge nicht annehmen oder irgendwelche Kampagnen schießen.
Bist du denn gelernte Fotografin?
Nein. Ich habe bei Fotografen assistiert, aber das war es auch.
Hast du in deiner Fotografenlaufbahn witzige Erlebnisse gehabt?
Beim Fotografieren eigentlich nicht. Ich freu mich aber immer, wenn ich so was lese. Ich habe mit meinen Kunden immer wieder komische Sachen die da passieren. Ich schicke Leuten Fotos und die verlieren die dreimal hintereinander. Ich frag mich dann wie sowas geht. Wenn ich von einigen die Telefonnumer sehe weiß ich schon, die haben wieder die Fotos gelöscht. Oder ich hatte jetzt Kunden, denen habe ich die Speicherkarte mitgegeben. Da gingen die ersten 100 Bilder verloren. Wie geht sowas? Wir hatten Zeitmangel und deshalb hatte ich die Karte mitgegeben. Das Gute ist, es waren die ersten Bilder, und erfahrungsgemäß weiß man, die guten kommen eh immer später. Solche Sachen passieren mir halt. Oder das Jemand seltsame Fragen stellt, wie „Wie bekomme ich die zip Datei auf?“. Einmal hatte ich eine, der ich eine zip Datei geschickt hatte, die dann meinte, ob ich ihr die Bilder nicht in jpg schicken könne. Was ich auch ganz süß finde, sind Leute, die ich bei der Arbeit für die Tageszeitung treffe, wie Musiker, und die mich dann bei Facebook unter ihrem richtigen Namen adden. Da muss ich dann immer erst mal überlegen, wer das war.
Was machst du denn für die Zeitung?
Ich kümmere mich um den Kulturteil. Sie fragten, ob ich als Fotografin bei ihnen arbeiten möchte. Ich habe bei einem Termin fotografiert. Danach wurde ich gefragt, wie es denn mit schreiben aussieht. Das probierte ich und seitdem schreibe ich auch. Da ich nicht zu den Mitarbeiterschulungen muss, gehe ich davon aus, dass ich das gut mache.
Was ist das für eine Zeitung?
Die auflagenstärkste Tageszeitung in Baden Württemberg (ca. 1,4 Mio. Auflage). Schwäbische Zeitung heißt die, davor war ich beim Südkurier. Durch diese Arbeit lernt man viele neue Menschen kennen. Das ist schon toll.
Was für Ziele hast du für die Zukunft?
Einfach immer weitermachen. Die Anfragen werden dadurch immer toller, dass die Leute sehen, dass ich meiner Linie treu bleibe. Und das ist auch mein Ziel: erfolgreich sein und werden mit dem, was ich liebe, ohne meiner Moral untreu zu werden.
Das ist ein tolles Schlusswort! Viel Erfolg dabei!